Der Begriff Dekonstruktion wurde durch die Arbeiten des französischen Philosophen Jacques Derrida geprägt. Er führte ihn 1967 in seiner Schrift De la grammatologie (dt. Grammatologie; 1974) ein. Dekonstruktion ist keine philosophische oder sozialwissenschaftliche Methode oder eigenständige Theorie, sondern eine Arbeit mit/in Texten. Sie ist eine Praxis, die nicht immer in der gleichen Art anwendbar ist, weil sie sehr kontextabhängig ist. „[…]Dekonstruktion [ist] keine Theorie […], die Sinn definiert, um Anweisungen zu geben, wie man ihn findet. Als kritische Aufhebung der hierarchischen Gegensätze, von denen Theorien abhängen, weist sie die Schwierigkeiten jeder Theorie auf, die Sinn eindeutig definieren möchte: als Intention des Autors, als determiniert durch Konventionen, als Erfahrung des Lesers.“ (Culler 1988:144,146)
Derrida selbst hat die Dekonstruktion als eine Haltung beschrieben, diese aber nie eindeutig definiert, was der Bewegung der Dekonstruktion vielleicht auch entgegen stehen würde. Dekonstruktion ist eine bestimmte Aufmerksamkeit auf Strukturen und Konstruktionen und ist gleichzeitig der Versuch einer Demontage derselben. Das heißt aufmerksam zu sein für die Nebenbedeutungen und Nebenlektüren eines Textes, wobei diese schon neben den sichtbaren und dominanten Bedeutungen existieren und diese Bedeutungen notwendigerweise konstituieren. Dekonstruktion ist damit nichts von außen an den Text Herangetragenes, sondern etwas, was im Text selbst stattfindet und den Text weiterschreibt. Da die Dekonstruktion den Text gleichzeitig immer wiederholt, verändert sie ihn auch jedes Mal, ohne einen ganz neuen Text zu schreiben. Es handelt sich also um eine Kritik und Transformation von Texten.
In Derridas Verständnis ist Text allerdings mehr als das geschriebene oder gesprochene Wort, alles ist Text: eine Institution, eine Situation, eben einfach alles. „Ein TextÄußeres gibt es nicht“ (Derrida 1983:274; Hervorh.i.O.). Mit der Operation der Dekonstruktion versucht Derrida stabilen Bedeutungen zu entgehen und die untergeordneten und ausgeblendeten Bedeutungen eines Textes oder eines Begriffs sichtbar zu machen. Das heißt, den Bedeutungen werden über die Bewegung des Verschiebens weitere Bedeutungen daneben gesetzt (siehe Poststrukturalismus). Damit kann auf die Ausschließungen und Hierarchisierungen verwiesen werden. Derrida möchte damit die abendländische Idee einer präsenten Einheit (vermeintliche Unterscheidbarkeit von Oppositionen oder aber auch starre Bedeutungen von Begriffen) in Frage stellen. Gleichzeitig kann er mit der Bewegung der Dekonstruktion die Unabgeschlossenheit von Bedeutungen (das freie Spiel der Bedeutungen) sichtbar machen.
Die Dekonstruktion ist eine doppelte Bewegung. Erstens ein eher räumlicher Schritt, in dem die hierarchischen Positionen der Begriffe und Gegensätze umgekehrt und umgestürzt werden. Das Ausgeschlossene oder geringer Bewertete wird neu ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und gewinnt Priorität. Die Beziehung zwischen den beiden Begriffen wird in dieser ersten Bewegung umgekehrt und die binäre, hierarchische Logik wird entlarvt. Würden die Begriffe allein umgekehrt, bliebe die Dekonstruktion in diesem binären Verhältnis der Begriffe verhaftet, nur umgekehrt. Deshalb wird in einem zweiten Schritt auch die neue Ordnung wieder in Frage gestellt. Auch der gerade zentrierte Begriff wird wieder dezentriert und verschoben, um damit das unentschiedene Verhältnis der Begriffe zueinander deutlich zu machen. Sozusagen die Selbstdekonstruktion oder Dekonstruktion der Dekonstruktion. Die Dekonstruktion ist eine unendliche Bewegung, es gibt weder einen Anfang (Ursprung) noch ein Ende von Bedeutungen. Die Haltung der Dekonstruktion, bezogen auf eine politische Praxis, kann stabile und feste Einheiten, wie z.B. Identität als eine feste Kategorie, in Frage stellen. Dekonstruktion war /ist damit sehr wichtig für viele Arbeiten innerhalb der Gender- und Queer Studies wie auch für queer-feministische Bewegungen.
Culler, Jonathan (1988): Dekonstruktion. Derrida und die poststruktralistische Literaturtheorie, Hamburg Derrida, Jacques (1976): Die Struktur, das Zeichen und das Spiel im Diskurs der Wissenschaft vom Menschen, in: Jacques Derrida, Die Schrift und die Differenz, S.422-442. Derrida, Jacques (1983): Grammatologie.
Obiger Text wird dekonstruiert:
“ … und die binäre, hierarchische Logik wird entlarvt“.
„binär“ und „hierarchisch“ ist hier redundant.
Nichts wird „entlarvt“.
Die Logik wird „binär und „hierarchisch“ GEMACHT um dann in ein diffuses Nirwana hineinentlarvt zu werden. Eine in sich leere Aussage.
Und, weiter unten: Wieso kann „Identität“ als stabile Kategorie in Frage gestellt werden? Identität ist höchstens punktuell stabil.