Obwohl „die Wissenschaft“ traditionell männlich dominiert ist und meist (unbewusst) von „dem Männlichen“ als „dem Allgemeinen“ ausgegangen wird, wurden „Männer“ lange nicht als individuelle und gesellschaftliche Subjekte untersucht. Die feministische Wissenschaft(-skritik) hat sehr deutlich auf dieses Missverhältnis verwiesen, was seit den 1990er Jahren zu einigen Anstrengungen geführt hat diese „Forschungslücke“ zu füllen.
Die Kritische Männlichkeitenforschung betrachtet Männer als vergeschlechtlichte Subjekte und analysiert ihre Erfahrungen im historischen und kulturellen Wandel (siehe hierzu auch den Artikel Krise der Männlichkeit? Oder die Rationalität einer „unerwachsenen Gesellschaft“ in KRASS #1). Die Kritische Männlichkeitenforschung ist im Kontext der Geschlechterforschung bzw. Gender Studies (siehe Gender Studies) zu verorten. Sie bezieht sowohl die Verhältnisse zwischen männlich sozialisierten Menschen als auch die Beziehung zwischen „Männern“ und „Frauen“ im Kontext von Macht- und Herrschaftsverhältnissen mit in ihre Analysen ein.
Der wichtigste theoretische Bezugspunkt ist das Konzept der Hegemonialen Männlichkeiten von der australischen Soziologin Raewyn Connell (siehe Hegemoniale Männlichkeiten). Vor dem Hintergrund dieses Konzepts wird in der Kritischen Männlichkeitenforschung meist von Männlichkeiten im Plural gesprochen. Damit kann verdeutlicht werden, dass zwar von einer hegemonialen Männlichkeit ausgegangen werden kann, es aber eben mehr Männlichkeitsentwürfe als den einen, hegemonialen gibt, die parallel in einer Gesellschaft existieren können.
Für einen Überblick zu den Entwicklungen der Kritischen Männlichkeitenforschung: Geschichte der Männlichkeiten von Jürgen Martschukat und Olaf Stieglitz (2008)