In den 1990er Jahren erweiterte sich die Frauenforschung zu den Gender Studies, die Frauen-Männer-und Geschlechterforschung beinhalten. Der Frauenforschung kam es anfangs vor allem darauf an, Informationen über Frauen „nachzuliefern“, die in der Geschichtsschreibung bis dahin wenig oder gar nicht berücksichtigt wurden. Darüber hinaus sollten die Unterdrückung von Frauen und die Differenzen zwischen Frauen und Männern aufgezeigt werden.
Die Gender Studies dagegen fragen vor allem nach der Bedeutung, die diesen diversen Differenzierungen beigemessen wurde und wird. Sie analysieren dabei besonders die hierarchischen Verhältnisse zwischen den Geschlechtern und wie diese in gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen verortet und verinnerlicht sind.
Seit den 1980er Jahren weisen insbesondere schwarze und lesbische Wissenschaftlerinnen und Aktivistinnen darauf hin, dass auch der Feminismus keineswegs frei war/ ist von Rassismen und Heterosexismus. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einer universellen weiblichen Unterdrückungserfahrung und einer einheitlich patriarchalen Herrschaft ausgegangen werden. Seither ist die Anerkennung verschiedener Differenzen auch zwischen Frauen, beziehungsweise der Versuch, die unterschiedlichen Formen gesellschaftlicher Unterdrückung im Zusammenhang zu denken, ein wichtiges Anliegen feministischer Diskurse geworden (siehe auch Intersektionalität und Postkoloniale Kritik). Als Resultat der Debatten traten die Kategorien race („Rasse“) und class (Klasse) als neue Schlüsselkategorien neben die Gender-Kategorie und bildeten fortan eine kritische Trias (race, class, gender) im feministischen Diskurs.
Grundlegend für die inhaltliche Erweiterung der Gender Studies war darüber hinaus die sex-gender-Debatte in den 1990er Jahren (siehe Gender). Die amerikanische Philosophin Judith Butler stellte die These auf, dass sex und gender sozial konstruiert seien, was bis heute innerhalb der Gender Studies diskutiert wird. Mit der Kategorie
gender lässt sich deutlich machen, dass die theoretischen Implikationen der Frauenforschung sich nicht darin erschöpfen können, bisher vernachlässigtes Wissen von und über Frauen in schon vorhandene Wissenschaftsbereiche zu integrieren. Es geht vielmehr darum, die Argumentations- und Begründungszusammenhänge der gesamten Forschung in den jeweiligen Disziplinen zu ändern. Daher arbeiten die Gender Studies interdisziplinär, also fächerübergreifend. Sie gehen davon aus, dass sich Konstruktionen von Geschlecht in allen sozialen, kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Bereichen finden lassen und somit in alle Bereiche integriert werden müssen.
Für einen Überblick: Gender-Studien. Eine Einführung von Christina von Braun und Inge Stephan (2006).