..Oder die Rationalität einer
„unerwachsenen Gesellschaft“
Immer wieder wird in Fernseh-Talkshows, Radiosendungen, in Feuilletons und populärwissenschaftlichen Büchern die Frage beackert, wie tief Männlichkeit in der Gegenwartsgesellschaft mittlerweile in die Krise geschlittert sein könnte. Auch Klagelieder auf bereits schwer gebeutelte Männer vergangener Zeiten sind Teil dieser Szenerie.¹ Bei der Vielzahl an Krisenerzählungen über die unterschiedlichsten historischen Zusammenhänge drängt sich jedenfalls der Verdacht auf, Männer hätten sich in ihrer Männlichkeit möglicherweise andauernd, immer und überall in der Krise befunden. Könnte das tatsächlich so sein? Und wer oder was ist da überhaupt gemeint, wenn von Krise die Rede ist? Zumindest für ein Muster exklusiv weißer, heterosexueller, bürgerlicher Männlichkeit wird die Bestandsaufnahme als krisenhaft immer wieder in Anspruch genommen. Daher könnte man die Frage stellen, ob nicht das Krisenszenario um ein spezifisches männliches Subjekt den Machtmechanismus darstellt, über den Männlichkeit und zwar ganz bestimmte männliche Eigenschaften aufs Tableau gebracht und beschworen werden. Die immer wiederkehrende Krisenproklamation dient demnach dazu, die unbedingte Restaurierung einer bestimmten Männlichkeit ganz dringlich erscheinen zu lassen. Eine so gelagerte Perspektivierung des Problems kann in der Frage Aufschluss geben, warum es sich beim dominanten Männlichkeitsentwurf in westlichen Gesellschaften um ein derart nachhaltig stabiles Konstrukt handelt. Immer wieder in einer Krise inszeniert und darüber hervorgebracht, konnte die Männlichkeitsvorstellung relativ differenzierte Gesellschaftsordnungen über die vergangenen 200 Jahre mit beschreiben und organisieren. Der Clou der Krisen-erzählung ist, dass Männlichkeit darüber in eine Opferrolle eingraviert wird. In dieser Richtung hat Sally Robinson in ihrem Buch Marked Men. White Masculinity in Crisis (2000) im Hinblick auf US-Literaturlandschaften der 1970er Jahre gefragt: »Why is it that when dominant masculinity becomes visible, it becomes visible as wounded?« (Robinson 2000: 12). Krise scheint in jedem Fall ein wiederkehrender Topos in der Männlichkeitskonstitution zu sein.
Nun ist die Geschlechterforschung ein hart umkämpftes Feld. Die kritische Männlichkeitenforschung wurde unter anderem in Abgrenzung zur maskulinistischen Richtung der Kulturkritik entwickelt, wie sie beispielsweise in Robert Blys Buch Iron John von 1990 Niederschlag gefunden hat.
Gegen eine Agenda, wie sie Bly in seiner Glorifizierung des Eisenhans vorantreibt, für eine vorgebliche urwüchsige Männlichkeit die Freiheit vergangener Tage zu fordern, steht die kritische Männlichkeitenforschung in der Tradition der kulturtheoretisch hoch inspirativen Entwicklungslinie des Feminismus und der interdisziplinären Geschlechterstudien (Martschukat/Stieglitz 2008). Männlichkeit wird hierin als sehr durchdringendes und wirkungsvolles Konstrukt betrachtet, das historisch und sozial in Verbindung mit anderen Zuschreibungskategorien wie Alter, Klasse, Stand, ethnischer und religiöser Identitätsverschreibung gesellschaftliche Differenzierungsprozesse regiert. Sinnvolle Untersuchungen zum Ordnungs-prinzip Männlichkeit müssen also in jedem Fall ein Teil der intersektional ausgerichteten Geschlechterstudien sein (Yuval-Davis 2009).
Die Rede von einer Männlichkeitskrise ist eine Figur, die sich auf dem Feld der Geschlechterstudien als entscheidendes Relais entpuppt hat. Die Verbindung von Krise und Männlichkeit – dieses Tête-à-Tête von Männlichkeit und Krise, wie man überspitzt formulieren könnte – muss immer wieder kritisch hinterfragt werden, da ansonsten geschieht, was vielen der sehr lesenswerten und in mancherlei Hinsicht auch verdienstvollen Arbeiten zu Männlichkeit aus den 1990er Jahren unterlaufen ist. Krise wird zum Leitfaden der Männlichkeitsgeschichte (Kimmel 1996; Mosse 1996). Inmitten der sogenannten Culture Wars der Neunziger und nachdem die Philosophin Judith Butler mit Gender Trouble (1990) gleich zu Beginn des Jahrzehnts einen differenzierenden Blick auf die Herstellungsmechanismen von Geschlechtlichkeit gelegt hatte, wurden in den genannten Darstellungen Krisen des dominanten Geschlechtsentwurfes unhinterfragt in die Geschichte und darüber in gegenwärtige Wahrnehmungen eingeschrieben. Dagegen weisen die jüngsten Auseinandersetzungen darauf hin, dass die Krisenerzählung machtanalytisch lokalisiert werden muss (Hämmerle/Opitz-Belakhal 2008).
Geschichte, Krise, Hegemonie
Warum wird nun Männlichkeit über die Rede von einer Krise hervorgebracht? Für meine Betrachtung soll der formelhafte Satz gelten: Hegemoniale Subjekte werden über die Proklamation einer Krise performiert und Subjekte hegemonialisieren sich dabei über Krisenszenarien performativ. Performativität wird hier im Sinne Judith Butlers verwendet, als Praktik von Aussagen, die immer wieder – jeweils in leicht variierter Weise – über einen Gegenstand getroffen werden, den sie dabei gleichzeitig hervorbringen und immer wieder neu erfinden. Die Rede von einer Männlichkeitskrise beinhaltet eben eine solche Performativität. Hegemonie ist der Prozess, über den sich diese Gegenstände bilden (heterosexuelle, weiße Mittelschichts-Männlichkeit in diesem Fall) und zu machtvollen Zentren gesellschaftlicher Ordnungsproduktion werden. Ich will im Folgenden das angesprochene Zusammenspiel von Performativität und Hegemonie anhand einer Facette des Krisenszenarios beleuchten – nämlich an der Verbindung von Männlichkeitskrise und Jugend. Gemeinsam mit Nina Mackert habe ich vor kurzem in einem Beitrag für einen Konferenzband zum Thema diskursiver Wandel in der Geschichte zu zeigen versucht, wie das Zusammenspiel von Hegemonie und Performativität funktioniert, wenn in der Geschichte von einer Krise die Rede ist. In unserem Ansatz verwenden wir den Zusammenhang zwischen der Rede von einer Männlichkeitskrise um 1900 mit der daraus entstandenen Produktion des – historisch betrachtet – neuen Konzeptes Adoleszenz.
Sowohl die Restauration als auch die Produktion von Normen und normativer Gesellschaftsordnung muss analysiert werden, wenn von einer Männlichkeitskrise im Zusammenhang mit Jugend die Rede ist. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde in unterschiedlichen nationalistischen Kontexten eine Männlichkeitskrise beschworen. Um die Jahrhundertwende wurde von Biologisten, Medizinern und Anthropologen „Adoleszenz“ als Antwort auf die vorgebliche Krise der weißen, hetero-sexuellen, bürgerlichen Männlichkeit in Mitteleuropa und den USA erfunden. Die Vorstellung von einer „Great Chain of Being“ im Gewande biologischen Fortschritts zur Optimierung des (national konzipierten) Seins ließ den Zeitgenoss_inn_en eine Entwicklungskette angemessen erscheinen, in der Adoleszenz als ein Ort innerhalb der Entwicklung zum männlichen Wesen etabliert wurde, an dem die ausgerufene Männlichkeits-Krise quasi präventiv bearbeitet werden konnte (Krämer/Mackert 2010).² Dadurch wurde die Krise des dominanten Geschlechtermodells – nach der Soziologin Raewyn Connell (1995): die hegemoniale Männlichkeit – verstetigt. Im Zuge dieser kulturellen Operation wurden gleichzeitig Männlichkeitskrise und Jugend miteinander verknüpft. Für die Herleitung des Zusammenhangs will ich zunächst auf die angesprochene Verbindung von Hegemonie und Performativität eingehen.
Raewyn Connell hat ihre Idee der hegemonialen Männlichkeit an das Konzept der Hegemonie des Philosophen Antonio Gramsci angelehnt. Mit seinem Hegemonie-Modell erklärt Gramsci, wie dominante Systeme Herrschaft über subordinierte Gruppen ausüben. Neben der Feststellung, dass nicht nur von einer Männlichkeit sondern vielmehr von einer Vielzahl unterschiedlicher Männlichkeitskonzeptionen ausgegangen werden muss, ist die von Connell vorgenommene Übertragung von Gramscis Hegemonie-Begriff auf das Geschlechtersystem hilfreich, um zu erkennen, welche Hierarchisierungen und ordnungspolitischen Mechanismen bei der Priorisierung von weißer, heterosexueller Mittelschichts-Männlichkeit im Geschlechtersystem der Moderne am Werk sind. Das System wird Connell zufolge diskursiv gestützt durch alle möglichen Akteur_innen, nicht lediglich durch cis-Männer, die zu den vorherrschenden Profiteuren der ungleichen Verteilungspraxis kultureller Ressourcen zählen. In Bezug auf Männlichkeiten ist es äußerst nützlich, solch vielschichtige und wechselseitige Produktionsverhältnisse zu betrachten, um die komplexen Hierarchien innerhalb des Zuschreibungssystems von Weiblichkeiten und
Männlichkeiten analysieren und kritisieren zu können. Zudem profitieren in der von Connell ausgearbeiteten Version selbst marginalisierte Männer, wie Schwarze oder Schwule in vielen Kontexten gegenüber Frauen von einer patriarchalen Dividende, die ihnen kulturelle Ressourcen und gesell-schaftliche Positionen zugänglich macht. Connells Modell bleibt dabei allerdings im Wesentlichen auf das westlich-moderne Geschlechtersystem beschränkt. Die Wechselwirkungen von solchen vergeschlechteten Diskursen mit eurozentristischen Abwertungen von Leuten und Identitätskonzepten aus unterschiedlichsten Weltregionen oder Identitätszuschreibungen in transregionaler Machtverschränkung geraten nicht in den Blick dieser theoretischen Fokussierung. Allerdings ist es durchaus ein bemerkenswerter Befund, wenn Connell in Masculinities (1995) feststellt, dass vom privilegierten hegemonialen Modell der Männlichkeit in der westlichen Moderne alle anderen vergeschlechtlichten Modelle, nämlich alle Formen von Weiblichkeiten, aber vor allem auch schwule, schwarze oder Arbeiterklasse-Männlichkeiten, in einem stetigen Prozess abgewertet und marginalisiert werden.
Eine weitere Entwicklungslinie, die noch nicht hinreichend mit der Hegemonietheorie verschränkt wurde, ist das Konzept der Intersektionalität. Unterdrückungskategorien wie race, class, gender und identitäre Zuschreibungsdichotome wie aktiv/passiv, zivilisiert/barbarisch, ent-wickelt/unterentwickelt usw. müssen demzufolge in ihrer intersektionalen Komplexität betrachtet werden. Dann kann ein Feld, auf dem hegemonialisierende Prozesse ablaufen genauer beschrieben werden. Bei hegemonialisierenden Prozessen handelt es sich um diejenigen Operationen, die zentrale kulturelle Normen herstellen, die gewaltsam erzwungen werden und über die gleichzeitig subjektive Zustimmung erlangt wird. Unter einer solchen Perspektive wird deutlich, dass es bei der Betrachtung von komplexen kulturellen Verhandlungen, wie zum Beispiel einer angeblichen Krise der Männlichkeit, immer um die Analyse mehrfach-relationaler (intersektionaler) Geflechte und Verschränkungen zwischen Kategorien wie Geschlecht, „Rasse“, Klasse, Alter, Religion, Sexualität usw., aber auch um das Wechselspiel tätiger Praxen in der Herstellung von Macht geht (Yuval-Davis 2009).
Doch kommen wir zurück zum Hegemonie-Konzept, wie es die/der Postmarxist_in Chantal Mouffe und Ernesto Laclau in Hegemony and Socialist Strategy (1985) weiterentwickelt und für tiefergehende kulturtheoretisch fundierte Gesellschaftskritik urbar gemacht haben. Die Beschreibung von Hegemonie als kultureller Katalysator in der Diskursproduktion kann an unterschiedlichen Beispielen gezeigt werden. Ich halte genau diejenigen Momente, in denen von einer Krise eines Subjekts die Rede ist, für besonders interessant. Leere Signifikanten – in unserem Fall ist „Männlichkeit“ beispielsweise ein solcher leerer Signifikant – werden in hegemonialen Prozessen hervorgebracht. Die hegemoniale Operation trägt im Verlauf von Geschichte dafür Sorge, dass Subjekte im Zuge der Krisenproklamation unbeschreiblich angereichert werden. Hegemonie ist in Laclaus Version ein dicht besiedelter Ort, an dem verschiedene Kategorien inkorporiert werden. Übertragen auf unsere Frage nach einer Rationalität der Krise würde in das Ordnungsprinzip Männlichkeit über einer hegemonialisierende Operation Weiß-Sein, Heterosexualität und eben Männlich-Sein integriert. Darüber wird in diesem Vorgang eine bestimmte Männlichkeit als immer wieder hervorgebrachter Hauptmarker eines Gesellschaftssystems (re)produziert. Genau dieser Wiederholungscharakter ist der performative Level, der das Ordnungsmodell verstetigt – bei gleichzeitiger Flexibilisierung der aufgerufenen Muster. Das Zusammenspiel von Hegemonie und Performativität verdichtet die Formation als einen historischen Prozess. Zentrifugierende Hegemonie, die das Subjekt in der Krise anreichert und wiederholende Performanzen, als einer Schar von Zitaten, stellen den Komplex dar, innerhalb dessen Krisenproklamationen gesellschaftliche Machtverhältnisse in bestimmten Begriffssystemen produzieren.
Kleine Männer in der Krise?
Wenn ein bestimmter Jugendzuschnitt über die Idee der Adoleszenz um 1900 quasi von Geburt an mit der Rede von einer Männlichkeitskrise verquickt war, wie Nina Mackert und ich in dem erwähnten ausführlicheren Text belegen, bzw. erst von dieser hervorgebracht wurde, ist Adoleszenz zum einen Antwort auf eine angebliche Krise und zugleich der Garant für die Verstetigung des Krisennarrativs um den Männerkörper. Historisch betrachtet erscheint ein jüngerer Ausläufer der Krisenerzählung – die angeblich aktuelle Krise der „kleinen Jungs“ – somit in einem ganz anderen Licht. Die Verbindung von Jugend und Männlichkeitskrise steht in vielerlei Hinsicht an einer Schaltstelle des Modernitätskonzeptes, das Viele für so selbstverständlich halten. Neben der anschwellenden Horde an Männertrainern und besorgten Kumpanen aus dem Bereich der Ratgeberei, ist eine Schar von Bildungsjournalisten und Psychoanalytikern seit Jahren mit einer Krise der kleinen Jungs beschäftigt. So diagnostiziert Horst-Eberhard Richter – vielleicht die Eminenz der Psychoanalyse in Deutschland – wie sich der Gesellschaftszustand als „unerwachsen“ über eine unausgereifte, defizitäre Männlichkeit beschreibt. Auch wenn man für die systemkritische Untermalung seiner Zeitdiagnose einige Sympathien hegen könnte, bleibt doch sein Einstimmen in einen Chor von Krisen-Claqueuren mit dem gesamten Arsenal der psychoanalytischen Idee vom gesunden, nicht-devianten Erwachsenwerden als Schlüssel-ereignis einer jeden Kultur und Gesellschaft. Neben solchen prominenten Akteuren ist der Krisendiskurs von einer Reihe an besorgten Beschäftigungen mit dem männlichen Nachwuchs getragen. Repräsentativ kann beispielsweise ein ZEIT-Artikel herausgegriffen werden, woran sich das Erzählmuster skizzieren lässt. Martin Spiwak macht sich darin über die Frage der Koedukation her und beschäftigt sich in seiner Funktion als Bildungsexperte mit einer Krise der kleinen Männer (2007: 37f). Vor dem Hintergrund einer Wissensgesellschaft seien die (deutschen) Jungs im hiesigen Schulsystem übel ins Hintertreffen geraten. Die kleinen Männer seien bereits in jungen Jahren in der Krise – so der besorgte Tenor des Textes. Es wird die Frage gestellt, ob etwa die Aufhebung der Koedukation helfen könne, da Mädchen per se durch ihre sozialisatorisch erworbenen oder gar biologischen, angeborenen Eigenschaften im Vorteil, angeblich den männlichen Altersgenossen das Lernen und Fortkommen erschwerten. Die Segregations-Idee wurde ernsthaft und teils mit schäumenden
Plädoyers für die Rettung des bedrohten Männernachwuchses in den Internet-Foren und Leserbriefen zum Artikel diskutiert. Im Artikel selbst beschreibt der Autor, was Eltern blüht, wenn sie die Diagnose erhalten, einen männlichen Spross zu bekommen:
»Statistisch gesehen, müssen sich Eltern auf Ärger einstellen, wenn es bei der Geburt heißt: »Es ist ein Junge.« Denn egal, ob Schreibabys oder Zappelphilipps, Legastheniker oder Computerjunkies, Söhne beschäftigen die pädagogischen Beratungsstellen weit stärker als Töchter. Später werden Jungen häufiger Opfer von Unfällen, begehen öfter Selbstmord oder werden drogenabhängig. Ihre Deliktrate ist laut dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen achtmal so hoch wie jene der Mädchen.«
Abschließender Gedanke zum Fall Männlichkeit
Solche Vorgänge um Männlichkeit in der Krise müssen mitsamt ihren historisch diskursiven Kontexten kritisiert werden. Neben der aufgezeigten Verbindung von Hegemonie und Performativität im Prozess der Krisenproklamation in Bezug auf die weiße, heterosexuelle, bürgerliche Männlichkeit in der modernen Geschichte ist die anti-feministische und anti-queere Zentrifuge der gegenwärtigen Diskurse bedeutsam. Daher muss dieser Komplex um die Krise der Männlichkeit in einer Weise kritisiert werden, wie sie Michel Foucault in Was ist Kritik? beschrieben hat:
»Man möchte nicht wissen, was wahr oder falsch, begründet oder nicht begründet, wirklich oder illusorisch, wissenschaftlich oder ideologisch, legitim oder mißbräuchlich ist. Man möchte wissen, welche Verbindungen, welche Verschränkungen zwischen Zwangsmechanismen und Erkenntniselementen aufgefunden werden können, welche Verweisungen und Stützungen sich zwischen ihnen entwickeln, wieso ein bestimmtes Erkenntniselement – sei es wahr oder wahrscheinlich oder ungewiß oder falsch – Machtwirkungen hervorbringt und wieso ein bestimmtes Zwangsverfahren rationale, kalkulierte, technisch effiziente Formen und Rechtfertigungen annimmt.« (Foucault 1992: 31)
Würde man die Rede von einer Krise der Männlichkeit nicht einer solchen Kritik aussetzen, bliebe unterm Strich ein Gewinn an kultureller Währung für entsprechende Subjekte in der Krise und die Aushandlungsprozesse von gesellschaftlicher Teilhabe zwischen verschiedenen Identitätsgruppen und -konzepten ließen sich (weiterhin) nicht öffnen. Die Trope von einer Männlichkeitskrise des hegemonialen Geschlechtermodells ist bislang ein solcher Gewinn in der Geschichte der Moderne und das bis in die medialen Kulturkämpfe der Gegenwart hinein.